
Sprachenrat Saar / Conseil linguistique de la Sarre / Language Council of Saarland
ein Zusammenschluss von Institutionen aus Kultur, Politik und Wirtschaft des Saarlandes
Saarbrücken 30. November 2024
Am 28. und 29. November 2024 fand die 4. Saarbrücker Europa-Konferenz statt, organisiert vom CEUS – Cluster für Europaforschung der Universität des Saarlandes. Die Veranstaltung bot eine Plattform für den Austausch zu sprachpolitischen Herausforderungen und Perspektiven in Europa. Der erste Tag begann mit einer Podiumsdiskussion im Festsaal des Rathauses St. Johann zum Thema „Deutsch-französische Perspektiven auf Visionen von Europa“. Am zweiten Tag folgte eine ganztägige Konferenz in der Aula der Universität des Saarlandes. Die Konferenz brachte Experten und Expertinnen zusammen, die aktuelle Fragestellungen der Europäischen Union beleuchteten. Zu den zentralen Programmpunkten gehörten die Vorträge von Dr. Heiko F. Marten und Dr. Constantin Schäfer, an denen auch der Vorsitzende des Sprachenrats Saar, Prof. Dr. Thomas Tinnefeld, teilnahm.
Zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit
28. und 29. November 2024
Dr. Heiko F. Marten vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache referierte zum Thema „Sprachenpolitik in Europa: Programmatik und Realität zwischen Vielfalt und nationalen Identitäten„. Er beleuchtete die unterschiedlichen Ansätze der Sprachenpolitik in der Europäischen Union (EU) im Allgemeinen sowie in Deutschland und Lettland im Besonderen und hob die vielschichtige Natur des Sprachmanagements in Europa hervor.
Die Sprachpolitik der EU fördert Mehrsprachigkeit und Gleichberechtigung, unterstützt durch umfangreiche Übersetzungsdienste und Sprachlerninitiativen. Während Englisch eine besondere Rolle als gemeinsame Sprache einnimmt, bemüht sich die EU, alle Amtssprachen in ihren Institutionen und ihrer Kommunikation zu verwenden.
Die Sprachpolitik Deutschlands ist durch eine monolinguale Ideologie geprägt – mit starkem Fokus auf den Erwerb der deutschen Sprache. Obwohl auch Englisch und andere prestigeträchtige Sprachen anerkannt werden, ist die Bedeutung von Minderheiten- und Herkunftssprachen begrenzt, nimmt jedoch langsam zu.
Lettland legt Wert auf die Stärkung der lettischen Sprache durch dezidierte politische Maßnahmen, um das sowjetische Erbe zu überwinden. Neben Lettisch wird auch Englisch gefördert, und das Land verfügt über eine klare, wenn auch begrenzte, Politik für Minderheitensprachen. Die Gesellschaft ist überwiegend bilingual oder trilingual, mit weit verbreiteten Kenntnissen des Russischen und Englischen.
Dr. Marten kam zu dem Schluss, dass das Management der sprachlichen Vielfalt Europas erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Er betonte die Notwendigkeit einer ausgewogenen und kontextbezogenen Sprachpolitik, die sowohl die nationalen Identitäten als auch das übergeordnete Ziel der europäischen Einheit respektiert. Seine Analyse lieferte wertvolle Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger, die sich um eine kohärente, aber vielfältige europäische Identität bemühen.
Dr. Constantin Schäfer von der ifok GmbH widmete sich in seinem Vortrag zum Thema „Der Umgang mit Mehrsprachigkeit und die Überwindung von Sprachbarrieren in transnationalen Bürgerbeteiligungsprozessen“ den praktischen Strategien zur Förderung der Kommunikation und Inklusivität im öffentlichen europäischen Diskurs. Er gab einen detaillierten Überblick über die „Konferenz zur Zukunft Europas 2021/22“, eine bedeutende europäische Beteiligungsinitiative.
Diese Konferenz nutzte drei zentrale Elemente:
Dieser Prozess mündete in einem Abschlussbericht mit 49 Empfehlungen und fast 400 Einzelmaßnahmen, die im Mai 2022 den EU-Institutionen vorgelegt wurden.
Dr. Schäfer identifizierte mehrere Herausforderungen bei der transnationalen Kommunikation, darunter Unterschiede in den Sprachkenntnissen, begrenzten Zugang zu Übersetzungsdiensten und die hohen Kosten, die mit mehrsprachigen Prozessen verbunden sind. Diese Herausforderungen führen oft zu ungleichen Beteiligungsbedingungen und Repräsentationsdefiziten, die demokratische Prozesse untergraben.
Dr. Schäfer stellte praktische Strategien und Werkzeuge zur Überwindung von Sprachbarrieren vor und demonstrierte anhand erfolgreicher Initiativen aus verschiedenen europäischen Kontexten, wie eine effektive mehrsprachige Kommunikation durch strategische Planung und Ressourcenzuweisung erreicht werden kann.
Ein bedeutender Teil des Vortrags war technologischen Lösungen zur Überbrückung sprachlicher Barrieren gewidmet. Auf eine entsprechende Frage von Herrn Prof. Tinnefeld hin hob Herr Dr. Schäfer das Potenzial von KI-Sprachmodellen zur Echtzeitübersetzung, mobilen Übersetzungsgeräten und AR/VR-Unterstützung hervor. Diese Werkzeuge können die Zugänglichkeit und Beteiligung erheblich verbessern.
Dr. Schäfer betonte das Zukunftspotenzial technologischer Fortschritte und methodischer Innovationen, wie Gamification und Civic Arts, um Bürger wirksamer zu beteiligen. Er hob die Bedeutung hervor, transnationale Beratungsverfahren inklusiver, gerechter und effektiver zu gestalten.
Die 4. Saarbrücker Europa-Konferenz verdeutlichte somit unter anderem die kritische Notwendigkeit für eine inklusive und effektive Sprachpolitik in Europa. Die Vorträge von Dr. Marten und Dr. Schäfer boten wertvolle Einblicke in die Chancen und Herausforderungen der Förderung von Mehrsprachigkeit und der Überwindung von Sprachbarrieren. Sie unterstrichen die Bedeutung eines durchdachten Sprachmanagements und innovativer Strategien zur Gestaltung einer kohärenteren und repräsentativeren europäischen Öffentlichkeit.
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