Einige persönliche Erinnerungen zur Gründung des Sprachenrates Saar
(Erschienen in: Marlène Lebreton (dir.), La didactique des langues et ses multiples facettes. Mélanges offerts à Jacqueline FEUILLET, Professeur émérite, Université de Nantes. Paris: Riveneuve éditions, 2015. ISBN: 978-2-36013-316-1.)
Sprachenpolitik — konkret
Ein sprachenpolitischer Rahmen für das Erwerben, Lehren und Lernen von Sprachen — am Beispiel des Sprachenrats Saar —
REMARQUE PRÉLIMINAIRE
Avec Jacqueline Feuillet, je me sens lié d’amitié depuis de très nombreuses années, plus précisément depuis le second Congrès de l’AILA (Association Internationale de Linguistique Appliquée) à Cambridge en 1969. Les relations amicales personnelles sont en liaison étroite avec les multiples occasions professionnelles et scientifiques de collaboration. Nos efforts communs dans le cadre des jumelages et de l’Office franco-allemand pour la jeunesse (OFAJ) ont une base commune, à savoir rendre possible, par la promotion d’un apprentissage des langues vivantes, les rencontres et contribuer de cette manière à la paix et à l’entente entre la France et l’Allemagne et au-delà. Nous comprenons nos activités respectives qui se reflètent comme dans un miroir, tant pour l’allemand que pour le français langues étrangères, comme, si l’on peut le formuler ainsi, une « politique linguistique vécue ». Étant donné que les efforts communs qui animent nos activités conduisent notamment à élaborer une politique linguistique pertinente, je voudrais joindre à mes félicitations pour l’anniversaire particulier de Jacqueline Feuillet une petite documentation sur la politique linguistique vécue, qui pourra peut-être servir également d’exemple à d’autres régions et de là susciter l’espoir d’un intérêt plus général.
Zusammenfassung
SPRACHENPOLITIK BOTTOM UP: EINE INNOVATIVE INITIATIVE. Schüler und Eltern stehen immer und überall vor der Frage, welche Sprachen wann und wie lange gelernt werden sollten. Aber auch Erwachsene sehen sich vor Entscheidungen gestellt, wenn sie den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen in ihrer Aus- und Weiterbildung planen und realisieren. Die Gesellschaft ihrerseits muss entscheiden, wie der Fremdsprachenhaushalt in Ländern, Regionen und Kommunen gestaltet werden soll. An diesem sprachenpolitischen Diskurs beteiligen sich zahlreiche Akteure: Bildungsverwaltungen, Elternschaften, Hochschulen, Fachverbände usw. Eine weitere Initiative hat sich als hilfreich erwiesen: der „Sprachenrat“. In unserem Artikel schildern wir die Planung, Entstehung und Umsetzung eines Beispiels, nämlich des „Sprachenrates Saar“, gegründet 1991, gefolgt von dem „Sprachenrat Bremen“, gegründet 2009.
Résumé
POLITIQUE LINGUISTIQUE BOTTOM UP : UNE INITIATIVE INNOVANTE. Les élèves et leurs parents se trouvent toujours et partout confrontés à la question de savoir quelles langues choisir, et quand et comment il faudrait les apprendre. Les adultes eux aussi se voient régulièrement dans la situation de prendre des décisions pour organiser et réaliser leur apprentissage de langues étrangères dans le cadre de leur formation initiale ou continue. La société doit, elle aussi, décider comment façonner les budgets de l’apprentissage de langues étrangères dans les différents pays, régions et communes. À ce discours contribuent les instances administratives responsables de l’éducation, les organisations des parents d’élèves, les universités et institutions de formation, les associations professionnelles, etc. Une nouvelle initiative s’est avérée d’une grande utilité, à savoir le Sprachenrat (« Conseil linguistique »). Dans notre article, nous allons décrire la conception, la naissance et le développement d’un Sprachenrat à l’exemple du « Sprachenrat Saar » (Conseil linguistique de la région de la Sarre), fondé en 1991, suivi par le « Sprachenrat Bremen », fondé en 2009.
Abstract
LANGUAGE POLICY BOTTOM UP: AN INNOVATIVE INITIATIVE. Pupils and their parents constantly have to face the problem of which languages should be learnt, during how many years and in which way. Adults, too, in the framework of initial or further education, regularly have to make decisions as to the planning and realisation of their learning foreign languages processes. The arguments which the society has to take into account when organising the budgets of language teaching and learning, in the different regions and local communities, are by no means less complex. To establish this public discourse is the task and the objective of a language policy to which the administration authorities contribute, as well as parents associations, universities and education institutions, vocational organisations, etc. A new initiative has proved to be of high utility, the „Sprachenrat“ (Language Council). In our article, we will describe the conception, the origin, and the development of a „Language council“, choosing the „Sprachenrat Saar“ (Language Council of the Saar Region, founded in 1991, followed by the „Sprachenrat Bremen“, created in 2009) as an example of a Sprachenrat.
1. Einige vorläufige Überlegungen: Ein Blick auf offene Fragen des Sprachenlehrens und -lernens in Deutschland
Beginnen wir unseren Gedanken-Gang dort, wo die meisten von uns Erfahrungen sammeln konnten oder können. Früher sagte man: Sprachen lernt man auf der Schule; das sagt man heute nicht mehr so. Warum nicht?
Heute wird man vielerorts sagen: Sprachen lernt man hoffentlich nicht erst in der Schule und nicht nur in der Schule. Sprachen erwirbt man späterhin in vielfältiger Form, aber auch bereits vorher, z. B. im Kindergarten oder in einer Kindertagesstätte. Zweisprachige Kindergärten werden heute vielerorts angeboten, mit Deutsch und Französisch im Angebot im Saarland, mit Deutsch und Englisch in den vielen Kindergärten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Eltern stehen dort, wo dieses Angebot besteht, vor der Frage: Sollen wir unser Kind in einem zweisprachigen Kindergarten anmelden? Abgesehen von äußeren Gegebenheiten wie Kosten, Erreichbarkeit, Image, Ausstattung, Aufnahmemöglichkeiten, Qualität der Erzieher /-innen usw. muss man sich fragen: Was spricht dafür, was vielleicht dagegen? Die Argumente sind abzuwägen, eine Entscheidung ist zu treffen, der Gang der Dinge ist zu beobachten, eventuell sind weitere Entscheidungen zu treffen. Mit anderen Worten: Eltern sind gefordert, sprachenpolitisch tätig zu sein. Die hier kurz skizzierte Szenerie kann auch anders aussehen: Das Hineinwachsen in die Zweisprachigkeit kann auch vor der Kindergartenzeit und außerhalb der Kita angelegt sein, dann nämlich, wenn die Familie einen Migrationshintergrund hat. Die Kinder lernen die Umgebungssprache (in Deutschland z. B. das Deutsche) mit ihren Freunden, auf der Straße, beim Spielen; und was ist daheim? Wird dort Türkisch bzw. Italienisch, Griechisch, Spanisch usw. gesprochen? Oder soll die Familie, falls sie dazu in der Lage ist, daheim lieber Deutsch mit den Kindern sprechen, um ihren Bildungsgang vorzubereiten und zu fördern? Fragen beantworten, Argumente abwägen, Entscheidungen treffen: Die Eltern stehen also auch hier in der Pflicht.
Wann sollen Kinder eigentlich eine erste Fremdsprache lernen? In der Grundschule? oder schon davor? Frühbeginn, wie auch immer definiert, ist ein Thema, zu dem viele etwas beizutragen haben: Psychologen wie Soziologen, Pädagogen und Erzieher 1-innen, Eltern und Bildungsverwaltungen, um sie an der kontrovers geführten Diskussion zu beteiligen: Fremdsprachenlernen — so früh wie möglich? Oder doch lieber etwas später, wenn die Kinder in ihrer Muttersprache sicher geworden sind?
Das sprachenpolitische Tun der Eltern setzt sich fort, wenn die Kinder ihre schulische Laufbahn gestalten müssen, genauer: ihr sprachliches Curriculum gestalten müssen. Welche Sprachen sollte das Kind lernen, wie viele Sprachen, von wann an, in welcher Reihenfolge, mit welcher Intensität und mit welcher Lerndauer? Und wenn die Eltern ihre eigene Lebensplanung konzipieren müssen, stehen sie vor neuen sprachenpolitischen Herausforderungen, z. B. wenn sie in eine andere Region mit anderen schulischen Curricula umziehen müssen oder wenn sie in ein anderssprachiges Ausland umziehen wollen.
Je mehr man über die Rolle der Eltern im sprachenpolitischen Netzwerk nachdenkt, umso
deutlicher wird ihre Verantwortung sichtbar, aber, was noch wichtiger ist: Umso deutlicher wird die Verantwortung der Gesellschaft den Eltern gegenüber deutlich. Nicht alle Eltern bringen das Expertenwissen mit, das für die Beantwortung der angedeuteten Fragen und für die anderen Herausforderungen nötig ist. Und wenn man dann noch bedenkt, dass die Eltern ihre eigenen Lernerfahrungen 20 oder 25 oder 30 Jahre früher gemacht haben, dann muss man berücksichtigen, dass sie sogar von ganz anderen Voraussetzungen an ihre sprachenpolitischen Aufgaben herangehen.
Die Gesellschaft hat den Eltern gegenüber eine Bringschuld, um ihnen bei den anstehenden Entscheidungen zur Seite zu stehen. Konkret kann dies z. B. heißen, dass Lehrer /-innen und Erzieher /-innen, Bildungsverwaltung, Elternvereinigungen und Sprachlehrerverbände den Eltern Expertenwissen zur Verfügung stellen müssen.
Damit sieht sich nun diese Gesellschaft ihrerseits vor ein Problem gestellt, das man konkret so formulieren könnte: Sind die Erzieher /-innen in der Lage, Hilfestellung zu geben? Haben künftige Gymnasiallehrer /-innen ein einschlägiges sprachenpolitisches Studium betrieben? Sind die Verantwortlichen in der Bildungsverwaltung nicht nur sprachenpolitisch ausgebildet, sondern auch auf die darauf aufbauenden Elternberatung vorbereitet?
Eltern und Kinder bilden Teil der Gesellschaft und müssen in der Gesellschaft Aufgaben übernehmen, die sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung ergeben. Dazu gehört z. B. die Tatsache, dass Kinder mit Migrationshintergrund einen wachsenden Teil der Gesellschaft bilden, und umso deutlicher tritt das folgende Problem in den Vordergrund: Kinder, die mit Deutsch als Mutter- / Erstsprache aufgewachsen sind, erhalten in der Schule weitgehend denselben Deutschunterricht wie Kinder mit einer anderen Erst- / Muttersprache. Man weiß, dass Kinder mit Migrationshintergrund nicht nur ein Mehr an Deutschunterricht auf der Schule, sondern einen anderen, didaktisch und methodisch spezifischen Deutschunterricht brauchen. Ist der Gesellschaft bewusst, dass ungenügende Deutschkenntnisse zu schlechteren beruflichen Chancen führen, ganz abgesehen von anderen sozialen Folgen? Weiß man in der Gesellschaft, dass Kinder, die schon vor Schuleintritt eine Sprache (bei Migrantenkindern z. B. Türkisch oder Griechisch, Portugiesisch, Italienisch usw.) erworben haben, signifikant bessere Sprachlernleistungen erbringen? Erfahren diese Kinder eine besondere Wertschätzung durch die Gesellschaft? Braucht es hier nicht eine Bewusstseinsänderung, z. B. durch sprachenpolitische Öffentlichkeitsarbeit in den Medien, in den Verbänden, in den politischen Gremien?
Fast unbemerkt sind nun weitere Akteure ins Spiel gekommen, nämlich die Ausbildungseinrichtungen, die Hochschulen und Universitäten. Sind Deutschlehrer, die Germanistik studiert haben, zugleich auch ausgebildet in der spezifischen Vermittlung von Deutsch als Zweit- /Fremdsprache?
Deren Programme müssten ja so ausgestaltet sein, dass Sprachen-politik und sprachenpolitische Beratung darin einen angemessenen Platz erhalten, damit die Voraussetzungen für sprachenpolitisch fundierte Förderung von Sprachkompetenzen geschaffen werden können.
Es ist also nötig, einen Diskurs zu gestalten, an dem Elternschaften, Hochschulen, Bildungsverwaltungen, Verbände und Lehrende zu beteiligen sind, und man braucht eine Einrichtung, die diesen Diskurs organisiert und betreut; wir nennen diese Einrichtung „Sprachenrat“.
Wir haben oben gesagt: „Heute wird man vielerorts sagen: Sprachen lernt man hoffentlich nicht erst auf der Schule, Sprachen lernt man bereits vorher, z. B. im Kindergarten oder in einer Kindertagesstätte.“ „Man kann dem eine andere Perspektive gegenüberstellen: Sprachen lernt man nicht nur auf der Schule, Sprachen lernt man auch nachher.“ Wir schauen uns jetzt nach diesbezüglichen Szenarien um, in den wir weiter sprachenpolitische Bedürfnisse erkennen können.
Man wird sicherlich zustimmen können, dass in vielen Berufen Sprachkenntnisse nötig oder nützlich sind. Fremdsprachenbedarf der Wirtschaft ist dort vorhanden, wo exportorientierte Unternehmen ihren internationalen Aktionsradius ausdehnen wollen; individuelle Bedürfnisse lassen sich bei Betriebsangehörigen feststellen, die ihre beruflichen Chancen und Möglichkeiten verbessern wollen, und Fremdsprachenkenntnisse sind vielfach ja auch Voraussetzung bei Bewerbungen; welche Sprachen, welche sprachlichen Varietäten oder Register, welche fachsprachlichen Kompetenzen: Das sind einige der vielen Fragen, die sich stellen. Eine Zusammenarbeit von Unternehmensverbänden, Kammern, Hochschulen, Gewerkschaften, Einrichtungen der Fort- und Weiterbildung usw kann den Diskurs befördern, der die Grundlage für die notwendige Beratung schaffen kann. Ein Sprachenrat kann helfen, diesen Diskurs auf den Weg zu bringen.
Natürlich könnte man weitere Probleme aufzählen, für deren Aufarbeitung und vielleicht Lösung eine Plattform für Erfahrungsaustausch, Information und Hilfestellung nützlich und vielleicht sogar nötig ist; die folgende Liste ist ganz unsystematisch zusammengestellt:
- Welche Rolle sollen Leistungsmessung und Bildungsstandards in der Schule haben?
- Welche Qualitätsmaßstäbe gibt es für den Sprachunterricht in Weiterbildungseinrichtungen, und wie findet man als Erwachsener geeignete Angebote in der näheren Umgebung?
- Wie kann man gemeinsam das lebenslange Lernen von Sprachen gestalten? Sollten Kinder „möglichst früh“ eine zweite bzw. dritte Sprache erlernen, und was bedeutet „möglichst früh“?
- Welchen Wert hat das Erwerben fremdsprachlicher Kenntnisse außerhalb des organisierten Lernprozesses, also durch Kontakte, Medien, Begegnungen?
- Was ist Mehrsprachigkeit, und wie kann man Mehrsprachigkeit in der Schule und in der Weiterbildung sinnvoll gestalten?
- Wie kann man die Selbstständigkeit des Lernens fördern?
- Welche Ratschläge lassen sich für einen sinnvoll zum Sprachenlernen geeigneten Auslandsaufenthalt erteilen?
- Welche sprachenpolitischen Leitlinien erscheinen für Grenzregionen besonders förderlich?
- Welchen Status sollen Dialekte und Dialektkenntnisse, Minderheiten- und Regionalsprachen sinnvollerweise innehaben?
- Sollen die Nachbarsprachen Priorität erhalten, auch wenn es sich dabei nicht um die bekannten „großen“ Schulsprachen handelt?
- Wie kann man das Erlernen von Mutter- bzw. Familiensprachen bei Menschen mit Migrationshintergrund in das Sprachenwachstum und die Sprachenbiographie integrieren?
- Fördern Sprachkenntnisse wirklich die beruflichen Chancen, und welche Sprachen sind dafür besonders von Interesse?
- Welche Kenntnisse benötigt ein Handwerkermeister, der seine Produkte über die Grenze hinaus vertreiben will (Lesen von Ausschreibungstexten, Wahl der Werbestrategien, Erfüllung von Gewährleistungen usw.)?
- Unter welchen Bedingungen fördern Sprachenkennt-nisse das zwischenmenschliche Verstehen, die internationale Verständigung und vielleicht auch das Zusammenwachsen Europas ?
- Sollte man sich eher für ein mehrsprachiges Europa einsetzen oder eher für eine dominante Leitsprache? Gibt es vermittelnde Standpunkte?
- Welche Ratschläge kann man älteren Mitmenschen geben, die ihre Sprachkenntnisse in Erinnerung rufen, pflegen oder auch erweitern möchten?
Die Fragen, die hier skizziert werden, gehören zu den „FAQs“, die sich viele Menschen, je nach Bedürfnis, persönlicher Situation, finanziellen und zeitlichen Ressourcen, beruflichen Erfordernissen u. a. stellen und auf die sich nicht unbedingt eine eindeutige Antwort finden lässt. Wissenschaftliche Erkenntnisse können ebenso hilfreich sein wie Erfahrungswissen und gemeinsame Beratung. Wer sich diese Fragen vorlegt, steht vor Entscheidungen, sei es bei der individuellen Ausbildungsplanung, bei der curricularen Beratung der Schüler /-innen, bei der Ausgestaltung sprachenpolitischer Programme der Parteien oder der Bildungsverwaltungen, bei den Haushaltsplanungen in Ländern und Gemeinden, bei der Konzipierung von Ausbildungsgängen und Hochschulstrukturen, bei den beratenden öffentlichen Aktivitäten von Gewerkschaften und Verbänden usw. Aus dem Gesagten ergibt sich die Relevanz, die diesen Fragen innewohnt, und diese Relevanz gibt Anlass, sich wissenschaftlich und sozial zu engagieren, um die evidenten Probleme der Gesellschaft und des einzelnen Bürgers lösen zu helfen.
Diese Probleme sind auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, sie verlangen nach sehr differenzierten Lösungen; nicht jeder oder jede ist von allen Fragen gleichermaßen betroffen. Aber allen ist gemeinsam, dass sie nicht ohne eine gewisse Gemeinsamkeit gelöst werden können. Alle verlangen das Gespräch, den Diskurs, das gemeinsame Planen, das gemeinsame Handeln.
2. Von den Fragen und Überlegungen zur konkreten sprachenpolitischen Umsetzung
In der Presse erschien Anfang Juni 1991 folgende Notiz:
Sprachenrat Saar konstituiert
Erstmalig ist in einem Bundesland ein „Sprachenrat“ gegründet worden. Am 29. Mai 1991 konstituierte sich in Anwesenheit von Wissenschaftsminister Professor Dr. D. Breitenbach und Bildungsministerin Frau Marianne Granz in Saarbrücken der „Sprachenrat Saar“, der den Erwerb und die Vermittlung von Fremdsprachen im Saarland, über die Grenzen der verschiedenen Institutionen hinweg, fördern wird. In ihm arbeiten Vertreter der Ministerien für Bildung und Sport, für Wissenschaft und Kultur sowie für Wirtschaft, der Arbeitskammer, der Fachhochschule des Saarlandes, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Handwerkskammer, der Industrie- und Handelskammer, der Staatskanzlei, der Universität des Saarlandes, des Verbandes der Volkshochschulen des Saarlandes sowie der Vereinigung der saarländischen Unternehmensverbände zusammen. Diesem Sprachenrat kommt gerade im Hinblick auf die Öffnung des Europäischen Binnenmarktes zum 1. 1. 1993 besondere Bedeutung zu. Zum 1. Vorsitzenden wurde Professor Dr. Albert Raasch, Universität des Saarlandes, zum 2. Vorsitzenden Dr. Detlef Oppermann, Verbandsdirektor der Volkshochschulen im Saarland, gewählt.
Diesen „Sprachenrat Saar“ haben wir 1991 auf den Weg gebracht, in der Form eines Runden Tisches der Institutionen, Vereinigungen und Verbände, die sich für die genannten Fragen und für die Lösung der aufgeführten Probleme engagieren. Wir haben absichtlich keinen eingetragenen Verein gegründet, sondern ein nach allen Seiten unabhängiges Forum interessierter gesellschaftlicher Bereiche.
Im Anfang hatte der Sprachenrat Saar also die folgende Zusammensetzung: Arbeitskammer des Saarlandes, Deutscher Gewerkschaftsbund, Handwerkskammer des Saarlandes, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Industrie- und Handelskammer des Saarlandes, Ministerium für Bildung und Sport, Ministerium für Wirtschaft, Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Staatskanzlei, Universität des Saarlandes, Verband der Volkshochschulen des Saarlandes, Vereinigung der Unternehmensverbände e.V.; dazu kamen von jenseits der Grenzen: Région de Lorraine und Grand-Duché de Luxembourg.
Später sind weitere Institutionen beigetreten, z. B. das Deutsch-Französische Sekretariat für den Austausch in der beruflichen Bildung, der Fachverband Moderne Fremdsprachen Landesverband Saar, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Die aktuelle Zusammensetzung kann im Internet eingesehen werden.
Gemeinsame Überlegungen der Persönlichkeiten, die die genannten Einrichtungen vertreten, führten z. B. zu einem solchen sprachenpolitischen Konzept aus dem Jahr 2000:
„10 plus 1“ – Aktuelle Thesen des Sprachenrates Saar zur Fremdsprachenpolitik im Saarland im Hinblick auf das „Europäische Jahr der Sprachen 2001“ (Stand: September 2000; Entwurf: Albert Raasch)
- Der Sprachenrat Saar unterstützt ausdrücklich alle Bemühungen um die flächendeckende Einführung einer Sprache in das Angebot saarländischer Grundschulen; er befürwortet außerdem, dass erste Anfänge des Erlebens der Mehrsprachigkeit flächendeckend bereits im Kindergarten angeboten werden.
- Der Sprachenrat Saar ist der Überzeugung, dass die Qualität dieser Einführung der Kinder in eine andere Sprache maßgeblich von der angemessenen Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte bzw. der Betreuer /-innen abhängt; von dieser notwendigen Qualifizierung der Bezugspersonen dürfen keine Abstriche gemacht werden; kurz- oder mittelfristige Maßnahmen sind nur dann annehmbar, wenn die Qualifizierungsmöglichkeiten langfristig gesichert sind.
- Der Sprachenrat Saar befürwortet nachdrücklich, dass das ius primae initiationis dem Französischen zustehen soll. Es wäre nicht zu verantworten, den Kindern die Möglichkeit wegzunehmen, die Erstbegegnung mit einer anderen Sprache im Rahmen des direkten Kontakte mit einer Nachbarregion zu erleben.
- Der Sprachenrat Saar hat sich intensiv mit den Schwierigkeiten befasst, die sich bei dem Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule zeigen. Er schlägt vor, dass das Französische von der Grundschule nahtlos in die weiterführende Schule dadurch integriert wird, dass in der Klasse 5 auf dem bisherigen Umgang mit einer anderen Sprache systematisch aufgebaut wird und damit der frühe Beginn in der Grundschule mit den curricularen Prinzipien weiterführenden Unterrichts verknüpft wird. Auf diese Weise wird der Frühbeginn Französisch in die Lernbiographie der Kinder nachhaltig einbezogen.
- Der Sprachenrat Saar dringt darauf, dass die Schule konsequent auf das Lernen und den sinnvollen Umgang mit Sprachen während des Erwachsenenalters vorbereitet. Die Schule muss sich der Verantwortung dafür bewusst werden, dass sie die Grundlage für das lebenslange Lernen legt, das gerade im Sprachenbereich heute europaweit als notwendig angesehen wird.
- Die Förderung des Erwerbs berufsbezogener Sprachkompetenz ist eine unbestrittene Notwendigkeit, braucht gleichwohl dringend der intensiven Förderung, sowohl innerhalb des berufsbildenden Schulwesens wie durch den Bezug aller Schulformen zu den Anforderungen der beruflichen Wirklichkeit.
- Die breite Öffentlichkeit ist nur teilweise über die Grundsätze eines modernen Sprachunterrichts informiert; der Sprachenrat fordert sowohl die Bildungsinstitutionen wie vor allem die Medien auf, die Bewusstseinsbildung nachhaltig zu fördern: wie man Sprachen lernt, wie man Sprachen lehrt, warum man welche Sprachen lernen sollte, was man eigentlich im Sprachunterricht lernen sollte. Die Erziehung zu kritischen Sprachenlerner ist eine dringende Notwendigkeit.
- Mehrsprachigkeit ist das Gebot der Zukunft; Mehrsprachigkeit des Einzelnen wie des Landes ist die Voraussetzung für die Förderung der Standortbedingungen in Europa und für Europa. Es genügt schon lange nicht mehr, „Zweisprachigkeit“ zu verlangen; der Sprachenrat verlangt dringend: das Französische als Nachbarsprache („s Frühbeginn“ und als „erste“ Fremdsprache in Klasse 5), das Englische anschließend (d.h. als Klasse 6) als Weltsprache, weitere Sprachen (z. B. Spanisch, Italienisch) als Distanzsprachen (ab Klasse 8). Die Schulen wie auch die Einrichtungen der Erwachsenenbildung sollen nach Ansicht des Sprachenrates Saar gemeinsam einen möglichst breiten Sprachenfächer anbieten und die Grundsätze des Lehrens und Lernens aufeinander beziehen.
- Lehrkräfte für Sprachen müssen so ausgebildet sein bzw sich so fortbilden, dass sie auf den vorgängigen Sprachkenntnissen ihrer Lerner aufzubauen und die Grundlagen für das nachfolgende Sprachenlernen zu legen imstande sind, andernfalls stehen sie der Mehrsprachigkeit entgegen.
- Der Sprachenrat Saar sieht die weitreichenden Konsequenzen dieser Forderungen und Anregungen und erklärt sich daher bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten mit Ratz und Tat bei der Realisierung mitzuhelfen.
- Der Sprachenrat Saar legt allen Verantwortlichen dringend ans Herz, die Chancen des „Europäischen Jahres der Sprachen“ 20achhaltig zu nutzen, um die Menschen in der Region und im Land europatauglich zu machen und die Herausforderungen von Internationalisierung und Globalisierung zu bestehen.
- Ein konkretes Beispiel, wie sich der Sprachenrat auf Grund solcher konzeptuellen Überlegungen in die sprachenpolitische Diskussion des Saarlandes eingebracht hat, spiegelt sich in dem folgenden Dokument.
3. Ein Panorama von Aktivitäten
Wie der Sprachenrat in die Öffentlichkeit hineinzuwirken versucht, ergibt sich aus diesem ausschnitthaften Überblick über Aktivitäten aus den ersten Jahren seines Bestehens. Im Folgenden einige Beipiele:
An den Minister für Bildung,
Kultur und Wissenschaft
Herrn Horner Wittling
Hohenzollernstraße 60
66117 Saarbrücken 25. Juni 1997
Fremdsprachenunterricht an beruflichen Schulen» im Saarland
Sehr geehrter Herr Minister,
die Landesregierung hat sich gemeinsam mit dem SPRACHENRAT SAAR mehrfach mit der Frage befaßt, auf welche Weise die Zweisprachigkeit im Saarland gefördert werden könnte.
Fremdsprachenkenntnisse, im Saarland insbesondere die Kenntnis des Französischen, sind ein Instrument fur den Bau kultureller, wirtschaftlicher, politischer und damit menschlicher Brücken Dabei ist die Kenntnis des Französischen ein wichtiger Faktor für die Förderung des Wirtschaftsstandortes Saarland und der beruflichen Qualifikation der Arbeitnehmer.
Der SPRACHENRAT SAAR hat sich in seiner Sitzung am 18 März 1997 eigens mit dem Thema des Fremdsprachenlernens in beruflichen Schulen befaßt. In der Sitzung äußerten sich Vertreterinnen des Rektorates Straßburg, die Landesfachberater für das berufliche Schulwesen sowie die Vertreterin des Ministeriums fur Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes über die aktuelle Situation.
Der SPRACHENRAT SAAR nimmt die Ergebnisse der Sitzung zum Anlaß, eine Liste von Anregungen und Vorschlägen zur Verbesserung des Fremdsprachenlernens an beruflichen Schulen zu erstellen.
Wir möchten diese Liste an Sie, sehr geehrter Herr Minister, weiterleiten und Sie bitten, den SPRACHENRAT SAAR in seinem Bemühen um eine Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse zu unterstützen.
Im Einzelnen geben wir folgende Anregungen
1 Die Vermittlung des Fremdsprachenangebotes muß inhaltlich erneuert werden Hierzu gehört daß insbesondere die Gegebenheiten der unterschiedlichen Markte ebenso im Unterricht Berücksichtigung finden wie die Problematik der Interkulturalität
2 Die Vermittlung des Wissens geschieht zu häufig auf klassische Art und Weise d h ohne den Einsatz neuer Medien und der EDV Da diese Medien bereits existieren und relativ leicht zugänglich sind, sollten sie auch genutzt werden Hierdurch erreichen wir bei den Schülerinnen und Schülern eine höhere Motivationsstufe und damit auch bessere Ergebnisse
3 Um den Einsatz der neuen Medien und der Neuen Lehr und Lernformen zu optimieren, bedarf es einer Verbesserung und Umorganisation der Lehrerbildung Prioritär sollten vermehrt gezielte Weiterbildungsmaßnahmen im Interesse der augenblicklich tatigen Lehrer ergriffen werden
4. Da die Fremdsprachenkenntnisse beim Eintritt in die Berufsschule sehr unterschiedlich sind, muß man durch geeignete. differenzierte Lehrpläne den jjewei-ligen Vorkenntnissen Rechnung tragen. Generell aber gilt, daß auf jeden Fall entsprechende Lehrpläne vorhanden sein müssen Kein Unterricht sollte ohne Lehrplane abgehalten werden, die nicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Region abgestimmt sind
5 Ein nicht ausreichendes Fremdsprachenangebol im technisch-gewerblichen sowie im sozialpflegerischen Bereich muß – dem Bedarf angepaßt – durch entsprechende Konzepte und Unterrichtsstunden beseitigt werden. Die Fremdsprachen im kaufmännisch-unternehmerischen Bereich sollten weiterhin geförder werden
6 Das bereits in den allgemeinbildenden Schulen erworbene Fremdsprachenwissen darf in der Berufsschule nicht unterbrochen, sondern muß kontinuierlich fort-gefuhrt werden. Das vorhandene Unterrichtsangebot muß also ausreichend personalisiert sein, und es dürfen keine Stunden ausfallen,
7. Der Lehrereinsatz sollte, um dem Muttersprachlichen Rechnung zu tragen, auch grenzüberschreitend organisiert werden. Damit lernen die jungen Menschen aus ,erste Hand“ Sprache und Kultur.
8. Das Erworbene zu festigen ist Sache der Übung und des Anwendens. Urn dies auch realitätsnah tun zu können, sollte ein Freiraum für Schüler und Auszubildende im Ausland, zum Beispiel durch Praktika, geschaffen werden In diesen Phasen lernen die Jugendlichen ,Land und Leute‘ kennen und sich im Nachbarland sicher zu bewegen.
9. Mit der Vermittlung der Fremdsprache sollte so fruh wie möglich begonnen werden Wir unterstutzen den Gedanken des Frühbeginns und sind der Auffassung daß man bereits im Kindergarten die Fremdsprache spielerisch vermitteln kann.
Aktuellere Einblicke in die Tätigkeiten des Sprachenrates finden sich auf der genannten Homepage.
Der Sprachenrat Saar hat sich stets für die Umsetzung seiner Konzepte engagiert, u. a. durch folgende Aktivitäten:
- Dieses Plakat wurde vom Sprachenrat Saar bei der Kinder-malschule Kassiopeia in Saarlouis in Auftrag gegeben und in allen Grundschulen des Saarlandes aufgehängt; es wirbt für das Erlernen einer Fremdsprache, speziell der Nachbarsprache Französisch.
- Durchführung eines Reflexionsseminars mit den Elternvertretungen, um deren Sorgen aufzuarbeiten und die Entscheidungen zu treffen.
- Dieses Dokument belegt den Abschluss eines Vertrages des Sprachenrates mit der Verwaltung der Stadt Merzig, die sich verpflichtet, die erste zweisprachig ausgeschilderte Stadt des Saarlandes zu werden.
Einige weitere Initiativen und Aktivitäten des Sprachenrates im Überblick:
- Der Sprachenrat hat sich an Messen in Saarbrücken und in Metz beteiligt und über Möglichkeiten des Sprachenlernens aufgeklärt.
- Der Sprachenrat hat die zweisprachige Ausschilderung in der Stadt Saarbrücken angeregt.
- Der Sprachenrat hat in Zusammenarbeit mit der Saarbrücker Zeitung die dortigen Redaktionstelefone für Beratung der Öffentlichkeit nutzen können, und die Zeitung hat über die Ergebnisse ausführlich berichtet, so dass eine große öffentliche Wirksamkeit erzielt wurde.
- Europafest an der Wintringer Brücke (Saarland)
- Werbeaktion für Französisch: Herstellung und Verteilung von
- Postern und Lesezeichen in allen Grundschulen des Saarlandes
- Interviews in Rundfunk und Fernsehen
- Mitwirkung beim EUROFEST 1996 des Saarlandes in Saarbrücken
- Herausgabe des „Sprachlernatlas“ (Ein Sprachlern-Ratgeber: Informationen über alle Sprachlernangebote im Saarland)
- Mitwirkung an der Veranstaltung „Französisch zahlt sich aus“ der Deutsch-Französischen Hochschule 2002
- Öffentlichkeitsarbeit (Beteiligung an der Handwerksmesse, am Saarlandtag u. a.)
- Informations- und Werbeveranstaltungen zum Sprachenjahr
2001
- Mitwirkung an Veranstaltungen zum Sprachentag 26. 9. 2002
- Gespräche mit Ministerpräsident, Kultusminister, Staatskanzlei usw.
- Veröffentlichung einer Broschüre Fremdsprachenbedarf und -bedürfnisse im Saarland
- Veröffentlichung einer Broschüre Wege zur Zweisprachigkeit für den deutsch-französischen Alltag l Guide du bilinguisme pour le quotidien franco-allemand
- Gemeinsame Fahrt zum Europarat nach Strassburg („Politiques linguistiques“)
- Vortragsveranstaltungen
- Arbeitssitzungen bei Mitgliederinstitutionen, in Luxemburg und in Metz
- Fachtagung Sprachen mit Gesamtlandeselternvertretung Sept. 2001
- Veröffentlichung „10 + 1 Thesen zur Fremdsprachenpolitik im Saarland“ 2000
- Anhörungen im Saarländischen Landtag
- Expertengespräche, Runde Tische
- Sprachen- und bildungspolitische Stellungnahmen, z. B. zum Sprachenkonzept der Landesregierung
- Kooperationsgespräche, z. B. mit der „Stiftung für die deutschfranzösische kulturelle Zusammenarbeit“
- Beratung zur Gründung eines Sprachenrats in Bremen
- Beratungen und Gespräche zum Thema „Gelebte Mehrsprachigkeit“ (Albert Raasch)
- Vorschlag einer „Machbarkeitsstudie“ (Norbert Gutenberg)
Im Hinblick auf die aktuelle Weiterentwicklung (siehe unten den Abschnitt „Fazit“) hat eine öffentliche sprachenpolitische Stellungnahme wie die folgende (vom Dezember 1993) eine besondere Bedeutung, denn sie zeigt, dass alle derartigen Bemühungen einen langen Atem benötigen, dennoch aber durch Beharrlichkeit zu Erfolgen führen können und hoffentlich in die unten angemachten Realisierungen (von 2014) einmünden.
Sprachenrat Saar-Stellungnahme: Zum „Frühbeginn Französisch“ in den Grundschulen des Saarlandes
Der „Sprachenrat Saar“ begrüßt, dass das Französische mit dem laufenden Schuljahr 1993/94 als „frühbeginnende Fremdsprache“ in den Grundschulen des Saarlandes eingeführt worden ist.
Das Saarland hat mit dieser Maßnahme einen wichtigen Schritt zur Förderung der Partnersprache in der Region getan; es hat damit zugleich einen Beitrag zur Verwirklichung der Empfehlungen des ‚Europarates und der Europäischen Gemeinschaften / der Europäischen Union geleistet.
Mit diesem Schritt wird die Besonderheit des Saarlandes unterstrichen, das nunmehr allen Schülerinnen und Schülern in der Grundschule die Chance bietet, das Französische, die Sprache des Nachbarlandes, zu erlernen.
Die Bedeutung dieser Maßnahme muss aber nach Ansicht des Sprachenrates dazu führen, dass alle nötigen Mittel eingesetzt werden, um den Erfolg des „Frühbeginns Französisch“ sicherzustellen und durch Fortschreibung der zugrundeliegenden Konzepte weiterzuentwickeln; dazu gehört, neben der unbedingt notwendigen Zusammenarbeit zwischen Grundschule und weiterführenden Schulen, vor allem, dass die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte alle erdenkliche Förderung erfährt. Mit der Qualifizierung der Lehrkräfte steht — und fällt — der Erfolg dieses Unternehmens, das an sie große Anforderungen stellt, sowohl im didaktischen wie im planerischen und vor allem auch im sprachlichen Bereich.
Die Öffentlichkeit des Saarlandes sollte diese frühe Begegnung der Kinder mit fremder Sprache, mit der sich darin erschließenden Kultur und mit den Menschen dieser Sprache aufmerksam verfolgen und sie, wo immer möglich, als Eltern, als Lehrkräfte in anderen Schulformen, als Träger von Aus- und Fortbildung, als spracheninteressierte Persönlichkeiten und Institutionen, nicht zuletzt als Gesetzgeber und Sachwalter der Grundschulen, hilfreich unterstützen.
Wie sich die sprachenpolitische Situation im Saarland und der öffentliche Diskurs weiterentwickelt haben, geht aus der folgenden aktuellen Stellungnahme zur „Mehrsprachigkeit im Saarland“ hervor, die der Sprachenrat Saar im Jahr 2014 verabschiedet hat.
4. Fazit
Die aktuelle Zielperspektive, die der Sprachenrat im Jahr 2014 für die Sprachenpolitik im Saarland formuliert hat, zeigt die fortbestehende konzeptuelle Grundlage seiner Bemühungen seit 1991 ebenso aufwie die Berücksichtigung aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die Gründung des Sprachenrates Saar ist eine Initiative gewesen (und geblieben), die heute als zivilgesellschaftliches Engagement
Sprachenrat Saar: Mehrsprachigkeit im Saarland
Das Saarland bedarf, um als Kernregion auf Dauer den Anforderungen eines sich dynamisch entwickelnden europäischen Binnenmarktes zu entsprechen, nach Auffassung des Sprachenrates Saar weiterer sprachen-politischer Anstrengungen, die über das bislang Erreichte hinausreichen müssen. In den kommenden Jahren sollte angestrebt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger des Landes über ausreichende Kompetenzen in anderen Sprachen, vor allem der Nachbarsprache Französisch, verfügen, um ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern und ihr Wissen um die eigene und andere Kulturen zu vertiefen. Fremdsprachenkenntnisse dienen der Verständigung zwischen Menschen, können Konflikte zwischen Kulturen abbauen („soziale Kohäsion“) und sind auch eine wichtige, auch wirtschaftspolitisch bedeutende Grundlage für ein zusammenwachsendes Europa. Dies gilt besonders für die Grenzregion Saar-Lor-Lux.
Der Sprachenrat Saar strebt seit seiner Gründung als Ziel an: „Gelebte Mehrsprachigkeit“ im Saarland mit dem Schwerpunkt auf der Nachbarschaftssprache Französisch plus Englisch als moderner lingua franca. Der Sprachenrat knüpft dabei an die Forderung des Europarates an, der das Konzept „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen‘ seit langem offensiv vertritt. Das Konzept „Gelebte Mehrsprachigkeit“ muss nach Auffassung des Sprachenrates Saar deshalb alle Bildungsbereiche, Politik und Verwaltung, Kultur sowie die Medien umfassen. Die Bildungs- und Gesellschaftspolitik des Saarlandes sollte sich dem Ziel einer stufenweise zu realisierenden „gelebten Mehrsprachigkeit“ verpflichten
Gelebte Mehrsprachigkeit meint jedoch auch die Pflege der Herkunftssprachen der Menschen mit Migrationshintergrund. Sie sollte dabei nicht nur im familiären Umfeld stattfinden, sondern in die schulische und berufliche Bildung integriert werden. Der Sprachenrat Saar möchte sich dafür einsetzen, dass die Herkunftssprachen im Saarland mehr gefördert werden, und bietet deshalb allen Trägern, die sich darum bemühen, die Zusammenarbeit an.
bezeichnet werden könnte. Aus der Gesellschaft heraus, also „bottom up“, werden Probleme aufgegriffen, Lösungen vorgeschlagen, sprachenpolitisch relevante Schritte unternommen; die Nachhaltigkeit dieses Engagements ist nicht nur an den Jahren des Bestehens dieser Einrichtung ablesbar, sondern vielleicht noch mehr an der Weiterentwicklung der saarländischen Sprachenpolitik bis hin zu dem aktuellen Projekt der Landesregierung festzumachen, die in der Presse folgenden Niederschlag gefunden hat (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. 1. 2014) :
ImSaarland soll bis 2043 neben der deutschen Sprache Französisch als zweite Verkehrs- und Umgangssprache etabliert werden. Das kleinste deutsche Flächenland, das an Frankreich und Luxemburg grenzt, wäre damit das einzige vollständig mehrsprachige Bundesland. Die in einer großen Koalition regierende Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und ihre Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) präsentierten in Saarbrücken die entsprechenden Vorschläge ihrer „Frankreich-Strategie,“ um dieses Ziel als „Alleinstellungsmerkmal“ gegenüber anderen Bundesländern zu erreichen.
„Die von 2013 an geborene Generation soll alle Chancen erhalten, damit sich innerhalb von drei Jahrzehnten die französische Sprache neben Deutsch zur zweiten Umgangs-und Bildungssprache im Saarland entwickeln kann“, sagte Kramp-Karrenbauer.
„Unentbehrlich als Tor zu Frankreich werden“
Das wegen seiner hohen Verschuldung und der zurückgehenden Bevölkerungszahl in den nächsten Jahren politisch um seine Eigenständigkeit kämpfende Saarland will nach den Worten der CDU-Politikerin zudem so als „Brücke nach Deutschland und als Tor zu Frankreich unentbehrlich“ werden. Nach den Plänen der schwarz-roten Koalition soll Französisch schon in der frühen Kindheit vermittelt und unterrichtet werden — in Kitas und in Grundschulen.
Das aktuelle Strategiepapier vom Januar 2014 der Landesregierung beschreibt folgende Vision (siehe Internet http://saarland.de/dokumente/ressort_ministerpraesident_staatskanzlei/D_Eckpunkte_Frankreich-Strategie_210114.pdf):
Die Frankreichstrategie: ein umfassendes und zivilgesellschaftliches Projekt.
Wenn sich auch der vorliegende Entwurf einer Frankreichstrategie für das Saarland in erster Linie auf die Aktivitäten und die Koordinierung staatlicher Stellen bezieht, so geht es letztendlich jedoch um ein ganzheitliches und zivilgesellschaftliches Projekt. Nur wenn die Frankreich-Kompetenz des Saarlandes in der Breite gestärkt und von der Bevölkerung mitgetragen wird, kann tatsächlich ein leistungsfähiger mehrsprachiger Raum deutsch-französischer Prägung innerhalb einer Generation entstehen.
Aufgabe der Frankreichstrategie der Landesregierung ist es deshalb — neben der Umsetzung eigener Maßnahmen — auch, die zahlreichen Aktivitäten der zivilgesellschaftlichen Akteure in Bezug auf Frankreich zu stärken, zu unterstützen und soweit gewünscht zu koordinieren.
Ebenso geht es darum, die vielfältigen lothringischen Partner in die Frankreichstrategie miteinzubinden und die Frankreichstrategie insgesamt mit den grenzüberschreitenden Aktivitäten in der Großregion SaarLorLux zu verzahnen.
Die Übereinstimmung dieses Strategiepapiers mit Planungen, Vorschlägen und Aktivitäten des Sprachenrates Saar ist deutlich zu erkennen. Der Sprachenrat Saar wird daher diese Bemühungen der saarländischen Landesregierung mit Nachdruck unterstützen und die weiteren Anliegen, die er von Anfang an in die öffentliche Diskussion eingebracht hat, fortschreiben.
5. Ausblick
Weitere Informationen, vor allem auch über die aktuelle Zusammensetzung des Sprachenrates und die neuesten Aktivitäten findet man unter: www.Sprachenrat-Saar.de. Ergänzende Informationen zum „Sprachenrat Saar“ findet man unter
https://sites.google.com/site/raaschalbert/sprachenrat-saar-albert-raasch.
Ein weiterer Sprachenrat wurde am 26. September 2009 in Bremen gegründet. Dazu findet sich folgende Notiz im Internet. http://www.sprachenrat.bremen.de/index.php/willkommen/entstehung:
Er basiert auf Anregungen von Professor Raasch, der den Sprachenrat Saar gegründet und geleitet hat. Das Ziel ist, durch Einbeziehung anderer an Sprachenlernen interessierter bremischer Institutionen die Basis und die Einflussmöglichkeiten zu verbreitern und den Dialog mit allen Akteuren aus Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Bildung und Weiterbildung aus Bremen, Bremerhaven und der Nordwestregi-on zu intensivieren. In diesem Dialog will der Sprachenrat das Wissen über den lebenslangen Prozess der individuellen Entwicklung von Mehrsprachigkeit verbreiten und zum gedeihlichen Zusammenleben von Menschen mit vielfältigen sprachlichen und kulturellen Hintergründen beitragen.